Mann-über-Bord!

Gehen nur Männer über Bord? Nach dem Begriff: ja. Wie sieht das in Wahrheit aus? Ich kann keine nachweisliche Aussage dazu machen. Trotzdem habe ich den Eindruck in all den mir bekannten Fällen nur immer von über Bord gegangenen Männern gelesen zu haben. Zudem waren es erfahrene Segler. Bekanntestes Beispiel: Eric Taberly, französische Segellegende. Déformation professionelle?

In Segler-Gesprächen wird häufig über das beste Mann-über-Bord Manöver diskutiert. Jeder hat seinen Favoriten. Das ist gut so, sofern es auch beherrscht wird. Auf den vergangenen Törns warf ich immer wieder spontan und ohne Ankündigung einen Fender über Bord, Mann-über-Bord. Leider schaffte fast nie jemand auf Anhieb ein Mann-über-Bord Manöver, in dem Fall einen Fender zu bergen. Unter Druck scheint es nicht zu gelingen.
Ein Manöver, über das viel gesprochen wird, aber im Notfall die wenigsten beherrschen. Warum? Vermutlich, weil es zu wenig oft geübt wird. Nun zugegebenermassen, wer möchte schon bei Sonnenschein und Vergnügen sich mit einem solchen Thema befassen. Ja, unser innerer Schweinehund ist in solchen Momenten sehr nah, auch bei mir.

Aber, üben die Feuerwehr, Rettungskräfte und Polizei nicht bis zum Umfallen alle Notabläufe? Ja, das machen sie. Im Notfall soll alles automatisch, ohne gross nachzudenken, gelingen.

Was macht ein gutes Mann-über-Bord Manöver aus meiner Sicht aus?

  1. Es muss Einhand durchführbar sein.
  2. Es sollte fast ohne Segelbedienung gehen.
  3. Es sollte dafür nicht weit weggesegelt werden müssen, also nur Manöver auf aller kleinstem Raum.

aus Amwind-Kurs

Ich selbst bevorzuge in der Praxis den amerikanischen Quickstop, und zwar nur den gesegelten! Dieser ist nur für eine Yacht und nur aus Amwind tauglich, Segel müssen/sind also absolut dicht.
Wie geht er: sofort eine Wende, ohne die Segel zu bedienen (also Segel dicht); abfallen auf einen Raumschotkurs, ohne Segel zu bedienen; wenn Mann querab, eine Halse (die Segel sind immer noch dicht seit dem Amwindkurs); nach der Halse Fock und Gross fieren, und Mann bergen. Es wird also ein Kreis ohne Segelbedienung gesegelt.
Aber Achtung: Dieses Manöver nur aus Amwind.

Aus Halbwind/Raumschot/Vorwind-Kurs

Geht eine Person bei Halbwind/Raumschot oder Vorwind über Bord: Abfallen/Anluven (oder bleiben) auf einen Raumschotkurs, Boot sofort Wenden um 180 Grad = Amwind, Segel fieren und auslaufen lassen, Person bergen.

… und zum Schluss:

Egal welches Mann-über-Bord Sie auch machen:
Wichtig ist, dass Sie es spontan, automatisch und ohne nachzudenken durchführen können.

Thomas Zwick

Sicherheit im Bootssport / II

Fortsetzung von „Sicherheit im Bootssport“, Teil 1, Ausgabe Skippers 1-2019,
von Thomas Zwick, Präsident Verband Schweizerischer Segelschulen VSSS

Segeln ist ein Erfahrungssport. Niemand kann nie zu viel für die Sicherheit unternehmen. Auch sehr erfahrene Segler können zum Risiko werden. Man fühlt sich zu sicher: „Deformation professionelle“. Gerade in und an den auf den ersten Blick harmlosen Situationen und Orten können die Gefahren am höchsten sein (Unachtsamkeit).

Was heisst das im Einzelnen? Ein Gedankenanstoss, der schon viel verhindert aber nicht und nie umfassend und vollständig genug ist.

Solides Segelboot: Das Boot muss vor dem Gebrauch jeweils überprüft werden. Der Bootstyp soll dem eigenen Können und den Ansprüchen des Reviers angepasst sein.

Gute Segelmannschaft/Ausbildung/Übung: Nichts ersetzt die Ausbildung, die Erfahrung, die Selbstreflektion und Weiterbildung. 3 bis 6 Mal im Jahr segeln zu gehen, was der Grossteil der Segler(innen) macht, ist einfach viel zu wenig oft für eine solide und gute Routine.

Wetterkundig: Der Wetterbericht ist eine wichtige Grundlage. Aber noch viel mehr ist vor Ort die korrekte Einschätzung und laufende Beobachtung wichtig. Wetterberichte im Alpenraum sind zu ungenau in Sachen Zeitpunkt und Stärke. Die Sturmwarnung an den Seen ist unpräzise. Das Lesen von Wolken und deren Veränderung, der Verlauf der Windrichtungsänderungen geben schon einen klaren Hinweis, was wann und wie stark vor Ort kommen kann.

Segelausflug:  Kenntnisse des Reviers einholen, Segelroute vorausplanen (Anlaufhäfen, Ausweichhafen zum Abwettern etc.), Wetterbericht einholen, Boot auf Tauglichkeit prüfen, und auf die Vollständigkeit der Ausrüstung. Crew einweisen: Was ist wo auf dem Schiff, Bedienung, Handling, wo sind die Rettungsmittel und die Notrufmittel, Aufgabenverteilung/Verantwortung? Wetter laufend beobachten.

Persönliche Sicherheit: Schwimmwesten immer Tragen. Immer Tragen gilt insbesondere für Kleinkinder, Nichtschwimmer, nachts, ab Bf. 3, und niedriger Wassertemperatur, körperliche Einschränkungen.

Schiffsführung: Seine eigenen Defizite kennen. Anlege- und Ablegemanöver (hohes Risiko für Unfälle): Vor dem Ab- und Anlegen Manöver planen und mit der Mannschaft besprechen, Aufgaben verteilen, Material vorbereiten (Fender, Belegtaue), und erst dann ablegen oder einlaufen.

Schlusswort: Niemand ist perfekt. Jeder Skipper, der seine Defizite kennt, und sich entsprechend verhält, wird keine Risiken eingehen und damit viel weniger ungute Situationen erleben.

Sicherheit im Bootssport / I

von Thomas Zwick, Präsident Verband Schweizerischer Segelschulen VSSS

Die Sicherheit im Bootsport ist individuell ausgeprägt. Es ist kein beliebtes Thema und doch so wichtig für Einsteiger wie erfahrene Segler(innen). Eines vorweg, im Segelsport passieren nur wenige Unfälle mit einschneidenden Folgen. Kinder und Jugendliche, die intensiv segeln und trainieren, haben im 30. Lebensjahr fast nie körperliche Langzeitschäden. Ein Unfall passiert zu 50% da, wo man sich absolut sicher fühlt.

Zum Beispiel: Es herrscht schönes Wetter und wenig Wind. Wer hat schon Lust sich gross Gedanken über Sicherheit zu machen. Was kann schon passieren?
Im März bis Mai, wenn es manchmal so richtig warm wird, zieht es einem unweigerlich auf den See. Fast keine Boote auf dem Wasser und das Gefühl von endloser Weite.

Leider passieren eben gerade in scheinbar sicheren Situationen Unfälle. Verursacht bei glatter See durch eine Welle eines Motorschiffes und Verlieren des Gleichgewichts oder durch ein unbedachtes Herumturnen auf dem Boot. An Deck auf Tau, Segel, Persenning stehen und ausrutschen sind sichere Garanten für Mann über Bord.

Niedrige Wassertemperatur nicht unterschätzen

In den Monaten Januar bis Ende Mai ist das Wasser so kalt, dass ein Überleben nur noch eine Sache weniger Minuten ist. Der Fischer, der durch das Verlieren seines Gleichgewichts aus seinem kippeligen Ruderboot gefallen ist, kommt nicht mehr an Bord, weil er nie an eine Leiter gedacht hat. Der Segler, der über Bord ging, kann sich nicht mehr aufs Schiff ziehen, weil er durch die Nässe und Kälte entkräftete Muskeln hat. Ein Motorbootfahrer, sein Kind sitzend am Bug, fährt in grossem Tempo bei glatter See quer auf eine Welle eines Kursschiffs zu. Das Boot wird am Wellenkamm angehoben und das Kind ohne Schwimmweste über Bord katapultiert.

Niemand ist perfekt. Sicherheit ist vielschichtig und teilt sich in folgende Aspekte auf: Ausrüstung, Zustand des Bootes, Verhalten, Führung, Planung, Organisation, Kontrolle.
Ein Problem, ein Unfall ist selten nur auf eine einzige Ursache zurück zu führen. Häufig ist es eine Ansammlung von vielen Problemen, die sich gegenseitig zu einem grossen Unfall aufschaukeln. Im Prozess des Aufschaukelns hätte es zwar noch Eingriffsmöglichkeiten gegeben. Durch Unerfahrenheit, Nichtwissen oder Nichtkönnen konnte der Unfall schlussendlich leider nicht verhindert werden.

Der Besuch einer Segelschule, das Einlesen in das Thema sind erste wichtige Schritte.

Teil 2 – empfohlene Verhaltensregeln